Dieser Artikel ist in Kooperation mit Ipsen entstanden.

“Wenn der Knochen zum Verhängnis wird“Die möglichst frühzeitige Erkennung der seltenen Erkrankung FOP ist aus verschiedenen Gründen bis heute mit Hindernissen verbunden. Dies führt zu verspäteten oder falschen Diagnosen, sowie ausbleibender oder ungeeigneter Behandlung – mit teilweise dramatischen Folgen für die Betroffenen. Erfahren Sie hier, welche Anzeichen schon bei Säuglingen erkennbar sein können und wo Betroffene Unterstützung und Hilfe finden. 

Hinter dem medizinischen Fachbegriff Fibrodysplasia Ossificans Progressiva (abgekürzt FOP) oder auch Münchmeyer-Syndrom verbirgt sich eine sehr seltene genetisch bedingte Erkrankung. Nur etwa ein oder zwei von einer Million Menschen sind betroffen. Das Krankheitsbild ist durch eine zunehmend verlaufende Verknöcherung der bindegewebigen und muskulären Strukturen des Körpers gekennzeichnet, wodurch Patienten mit FOP im Laufe der Zeit praktisch von einem zweiten Skelett umschlossen werden.1 Die Ursache der FOP ist eine Punktmutation im Gen für den ALK2/ACVR1-Rezeptor, welcher zur BMP (knochenmorphogenetischen Proteine)-Rezeptorfamilie gehört. Eine daraus resultierende veränderte Aktivität des Rezeptors verursacht die zusätzliche Knochenbildung außerhalb des Skelettsystems..2,3

Bereits in der frühen Kindheit leiden Betroffene mit FOP unter häufigen, schmerzhaften und wiederkehrenden Episoden von Weichteilschwellungen (Schüben), die auch als Flare-ups bezeichnet werden. Die Bildung von Knochen am falschen Ort wird oft durch Verletzungen des Gewebes durch beispielsweise Stöße und Stürze, sowie bestimmte medizinische Verfahren wie eine Biopsie oder eine intramuskuläre Injektion ausgelöst. So kann bereits eine triviale Impfung massive Verknöcherungen verursachen. Die zunehmende Verknöcherung beeinträchtigt vor allem die körperliche Funktion im Alltag erheblich. Gelenke werden steif und die Wirbelsäule verkrümmt sich im Verlauf der Erkrankung. Im fortgeschrittenen Stadium werden zudem Lunge und Herz durch die Verformung des Brustkorbs in ihrer Funktion eingeschränkt. Menschen mit FOP haben eine kürzere Lebenserwartung von durchschnittlich 56 Jahren, sind aufgrund der Verknöcherung frühzeitig auf einen Rollstuhl angewiesen und verspüren anhaltende Schmerzen.4,5 

Es können mitunter viele Jahre bis zu einer endgültigen und korrekten Diagnose vergehen. Die frühzeitige Erkennung ist jedoch gerade für Kinder mit einer seltenen Knochenerkrankung wie FOP – in Anbetracht ihrer schwerwiegenden Folgen – von großer Bedeutung. Bei annähernd neun von zehn Menschen, die von FOP betroffen sind, erfolgen zunächst Fehldiagnosen, bevor schließlich FOP festgestellt wird. Häufige Fehldiagnosen sind Ballenzehen, Tumore und andere Erkrankungen, die Knochen und Weichteile betreffen.

Aktuell gibt es keine Therapie für FOP und auch keine Möglichkeit, die Erkrankung zu verhindern. Das Krankheitsmanagement konzentriert sich daher auf die Vermeidung von Verletzungen, die symptomatische Behandlung von Flare-ups und einen möglichst langen Erhalt der Restfunktion. Dabei sollte unbedingt ein holistisches Behandlungskonzept in multi- und interdisziplinärer Zusammenarbeit verfolgt werden.

„Ein frühzeitiger Hinweis auf FOP sind nach außen gedrehte große Zehen seit Geburt, die einem Ballenzeh (Hallux valgus) ähneln können.“

Abb.: Veränderte Großzehen bei FOP (Genehmigung erhalten von Pignolo RJ et al. Orphanet J Rare Dis. 2011;6:80.)

Zu den eindeutigsten Anzeichen von FOP gehören angeborene bilaterale Fehlbildungen der Großzehen, die bereits im Säuglingsalter auffallen können (Abb.). Möglich sind auch tumorartige Schwellungen an Kopf, Hals oder Rücken, die wie oben beschriebenen Flare-ups. Ein weiteres Anzeichen für FOP bei Kleinkindern kann sein, dass sie aufgrund der eingeschränkten Halsbewegung nicht richtig nach oben schauen können.

Wichtige Empfehlungen zum Patientenmanagement stammen aus den ICC-Leitlinien. Der International Clinical Council (ICC) für FOP ist eine autonome und unabhängige Gruppe von 19 international anerkannten Ärztinnen und Ärzten, die Experten im Bereich FOP sind. Diese Leitlinien weisen unter anderem darauf hin, dass die Diagnose von FOP anhand klinischer Parameter erfolgt, jedoch die Bestätigung durch einen Gentest erfordert. Darüber hinaus betonen die Autoren, dass bei einem bestehenden Verdacht auf FOP alle geplanten Eingriffe wie Operationen, Biopsien und Impfungen dringend verschoben werden sollten, um ein mögliches Voranschreiten bis zur endgültigen Diagnose zu verhindern.

Wer kann helfen?

Besteht der Verdacht auf eine mögliche FOP-Erkrankung, so sollte über den Pädiater der Kontakt zu einem spezialisierten Zentrum für seltene Erkrankungen hergestellt werden. Bei diesen Zentren handelt es sich um fachübergreifende Einrichtungen zur Diagnose und Versorgung der Betroffenen. Auf der Seite https://fop.ime.springerhealthcare.com/specialist-centers/ finden Sie eine Übersicht der weltweit auf FOP spezialisierten Zentren.

Wenn Sie sich näher über den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand im Hinblick auf FOP informieren möchten, besuchen Sie die Seite FocusOnFOP.com/de. Hier finden interessierte Laien und medizinisches Fachpersonal Informationen zur Entstehung, Diagnose und Behandlung der seltenen Skeletterkrankung. Diese Website wurde von der Firma Ipsen in Zusammenarbeit mit Menschen entwickelt, die mit Fibrodysplasia Ossificans Progressiva leben sowie mit den medizinischen Fachkräften, die sie betreuen.

Darüber hinaus gibt es viele FOP-Patientenorganisationen auf der ganzen Welt, sodass Patienten und Angehörige mit anderen Betroffenen in Kontakt treten können, die sich möglicherweise in einer ähnlichen Situation befinden. Ansprechpartner in Deutschland ist der gemeinnützige Verein FOP e.V. (https://www.fop-ev.de/).

Internationaler Awareness Day am 23. April

Am 23.04.2006 wurde nach vielen Jahren weltweiter Forschung an der Universität von Pennsylvania die Entdeckung des FOP-Gens ACVR1 bekannt gegeben. Dies war ein wichtiger und großer Schritt für alle Betroffenen und ihre Familien, denn die Identifizierung des krankheitsbestimmenden Gens ermöglichte erstmals die Entwicklung gezielter Ansätze in Richtung einer Therapie. Deshalb wird dieser Tag als internationaler FOP Awareness Day gefeiert.

Schärfen Sie Ihren Blick!

Im Hinblick auf die medizinische Früherkennung bei Neugeborenen kommt besonders den Hebammen eine tragende Rolle zu. Ihre genaue Betrachtung der Füße von Säuglingen und das Erkennen der FOP-typischen Fehlstellungen könnte die zeitliche Lücke bis zur Diagnose verkürzen und damit das Leben der Patienten nachhaltig verändern.


 1 Baujat G, Choquet R, Boueé S, et al. Prevalence of fibrodysplasia ossificans progressiva (FOP) in France: an estimate based on a record linkage of two national databases. Orphanet J Rare Dis. 2017:12(1):123.
 2 Shore E, Kaplan FS. A recurrent mutation in the BMP type I receptor ACVR1 causes inherited and sporadic fibrodysplasia ossificans progressiva. Nat Genet. 2006; 38:525–7.
3 Shore EM, Kaplan FS. Inherited human diseases of heterotopic bone formation. Nat Rev Rheumatol. 2010; 6(9):518–27.
4 Pignolo RJ, Bedford Gay C, Liljesthröm M, et al. The natural history of flare-ups in fibrodysplasia ossificans progressiva (FOP): A comprehensive global assessment. J Bone Miner Res. 2016: 31(3):650–6.
Pignolo RJ, Wang H, Kaplan FS, Fibrodysplasia Ossificans Progressiva (FOP): A Segmental Progeroid Syndrome Front Endocrinol (Lausanne). 2020: 10;10:908.
6 Kitterman JA, Kantanie S, Rocke DM, et al. Iatrogenic harm caused by diagnostic errors in fibrodysplasia ossificans progressiva. Pediatrics. 2005;116(5);e654–61.
7 Sherman LA, Cheung K, de Cunto C, et al. The diagnostic journey in fibrodysplasia ossificans progressiva. Insights from the FOP Registry. Poster presentation P-841 at the American Society for Bone and Mineral Research (ASBMR) Annual Meeting, September 11–15, 2020.