Dies ist ein Gastbeitrag von Hebamme und Stoffwindelexpertin Mandy Schieffer

Stoffwindeln haben Wegwerfwindeln gegenüber so einige Vorteile: man spart nicht nur Müll, sondern auch eine Menge Geld! Wenn man von einer Wickeldauer von durchschnittlich 3 Jahren ausgeht und ca. 6x täglich wickelt, kommt man auf eine unglaubliche Summe von 6500 Windeln pro Kind. Da Wegwerfwindeln nicht verrotten, stellen sie ein großes Müllproblem dar. Diese Summe an Wegwerfwindeln kostet je nach Hersteller ca. 1200€, eine Grundausstattung mit Stoffwindeln kann man schon für unter 500€ erhalten und diese auch beim nächsten Kind weiterverwenden. Zudem sind Stoffwindeln hautverträglicher, fördern die gesunde Hüftentwicklung und bieten eine große Vielfalt an Farben und Mustern. Stoffwindelkinder werden tendenziell früher trocken, da sie ein Gespür für ihre eigenen Ausscheidungen entwickeln und lassen sich auch prima als Back-up für „Windelfrei“ verwenden.

Stoffwindeln vs. Wegwerfwindeln

Wegwerfwindeln wurden erst in den 1960er Jahren auf den Markt gebracht, vorher wurden ausschließlich Stoffwindeln verwendet. Durch die Verwendung einer Polyurethan-Laminierung für Stoffwindeln hat der Stoffwindelmarkt in den letzten Jahren einen unglaublichen Boom erlebt. Stoffwindeln sind jetzt wasserdicht, atmungsaktiv und der Fülle an verschiedenen Designs sind nun keine Grenzen mehr gesetzt! 

Inzwischen gibt es so viele verschiedene Systeme, Materialien und Hersteller, dass man hier leicht den Überblick verlieren kann. Hierbei kann einem eine Beratung bei einer zertifizierten Stoffwindelberaterin helfen, die einem die Unterschiede erklären und anhand von vielen Vorführwindeln auch direkt zeigen kann. Hier wird einem auch erklärt, was man beim Waschen und Trocknen beachten sollte. Aber keine Angst, es ist kein Hexenwerk und einmal angefangen, macht das Wickeln mit Stoff unglaublich viel Freude!

Grundsätzlich bestehen alle Stoffwindeln aus drei Komponenten: 

  • einem atmungsaktiven Nässeschutz, der meist aus Polyurethanlaminat (PUL) oder Schafwolle besteht und die Kleidung vor den Ausscheidungen schützen soll. Dieser ist etwas waschempfindlich, sodass man hier ein paar Grundregeln einhalten sollte. So darf Wolle nur bei max. 30°C mit Wollwaschmittel gewaschen werden und muss anschließend mit Wollfett/ Lanolin (kennt man von den Brustwarzencremes in der Stillzeit) gefettet werden, damit die Wollüberhose dicht hält. 
  • einem Saugkern, der z.B. aus Baumwolle, Bambusviskose, einem Hanf-Baumwollgemisch, Mikrofaser, aber auch aus Leinen oder Wolle bestehen kann. In manchen Fällen ist der Saugkern untrennbar mit der Außenhülle/ Nässeschutz verbunden, in anderen Varianten kann man ihn in die Überhose einknöpfen oder in eine Innentasche hineinschieben. Saugkerne können aber auch komplett separat von der Überhose angelegt werden, z.B. ganz klassisch als gefaltete Mullwindel oder als sog. Höschenwindel. Hier muss man die Überhosen dann zusätzlich kaufen. Bei Bedarf kann man die Stoffwindeln jederzeit boostern und muss hier nicht nur auf spezielle gekaufte Stoffwindel-Saugeinlagen zurückgreifen, sondern kann hier gerne kreativ werden und z.B. auch Gästehandtücher oder günstige Waschlappen nutzen. 
  • optional einem Windelvlies, das man bei festerem Stuhlgang ab Beginn der Beikosteinführung oder bei der Verwendung von Cremes als oberste Schicht auflegen kann, um die Stoffwindel vor Verunreinigungen durch Stuhlgang oder der Verfettung durch die Pocreme zu schützen. Dieses Vlies kann man mehrmals waschen und wiederbenutzen, wenn das Baby keinen Stuhlgang hatte. Oder es mit der Ausscheidung über den Restmüll, bzw. bedingt empfehlenswert über die Toilette entsorgen. Diese Windelvliese gibt es idR. auf einer Rolle á 100 Blatt. Scheidet das Baby Muttermilchstuhlgang aus, sollte man auf ein Windelvlies verzichten, da der Stuhlgang hier noch sehr flüssig ist und es sonst passieren kann, dass der Stuhlgang aus der Windel läuft. Keine Sorge: Muttermilchstuhlgang lässt sich wirklich super auswaschen! Kommt es doch mal zu Flecken am Saugkern, kann man Sauerstoffbleiche, Gallseife oder – kostenlos – Sonnenlicht nutzen. 
Stoffwindeln auf Wäscheleine
Quelle: Mandy Schieffer

Da man die Stoffwindeln alle 3 Tage waschen und einen Tag fürs Trocknen einkalkulieren sollte, benötigt man ca. 24 Windeln. Nutzt man einen einknöpfbaren oder separaten Saugkern, reichen 24 Einlagen (bzw. Mull-/ Höschenwindeln) und ungefähr 5 Überhosen. Möchte man besonders viel Geld sparen oder Stoffwindeln erstmal testen, ist die Variante Mullwindeln und Überhosen sicherlich die günstigste. Komplettwindeln kosten pro Stück ca. 20-35€, einzelne Überhosen gibt es schon für 15-20€. Nach oben hin sind die Preise natürlich offen, aber in dem Preissegment kann man schon gute und hochwertige Windeln erhalten. Auch gebraucht lassen sich Stoffwindeln gut ein- und wieder verkaufen. Wer sich in seiner Sache noch nicht ganz sicher ist und Stoffwindeln vorerst nur testen möchte, für den gibt es im Internet verschiedene Anbieter von Mietpaketen. Diese werden besonders gerne in der Neugeborenenzeit gebucht, da sog. „Onesize-fits-most“ (OS), also mitwachsende Windeln, in der Regel erst von 4-16 kg passen. 

Zubehör benötigt man kaum: Nasstaschen/ Wetbags sind sinnvoll für den Transport benutzter Windeln unterwegs; nutzt man Mullwindeln, ist der Kauf von Windelklammern empfehlenswert. Da der Windelpo mit Stoffwindeln etwas voluminöser ist als mit Wegwerfwindeln (was die Babys im Übrigen in ihrer motorischen Entwicklung nicht stört), sind Pumphosen und Bodyverlängerungen oder mitwachsende Bodys zu bevorzugen.

Mit Stoffwindeln wickeln kann wirklich jeder. Besonders empfehlenswert ist es für Babys mit empfindlicher Haut oder bei einer Hüftdysplasie. Auch der Arbeitsaufwand mit Waschen und Trocknen ist überschaubar. Wäscht man richtig, kann man mit 1-2 Wäscheladungen mehr pro Woche im Vergleich zum Wickeln mit Wegwerfwindeln rechnen. Der einzige Fall, wann ich Stoffwindeln nur bedingt empfehlen kann, ist es, wenn man in einer sehr kleinen Wohnung lebt und weder Trockner, Waschkeller, Garten noch Balkon zum Trocknen der Windeln zur Verfügung hat. Auch Kitas und Tagespflegepersonen sind den Stoffwindeln gegenüber immer aufgeschlossener, sofern man die Dreckwäsche täglich mit nach Hause nimmt und gewaschen zurück bringt.

Wenn ihr nun gerne tiefer in die kunterbunte Welt der Stoffwindeln eintauchen wollt, so findet ihr Stoffwindelberater für Workshops oder Einzelberatungen in eurer Nähe in verschiedenen Onlineshops aufgelistet oder unter www.stoffwindelexperten.de

Bei den Stoffwindelexperten habe auch ich mich 2017 nach der Geburt meines ersten Kindes zur Stoffwindelberaterin zertifizieren lassen. Ich heiße Mandy Schieffer, bin 32, Hebamme und Mama von bald 3 kleinen Kindern. Beratungen biete ich als Einzelberatungen bei den (werdenden) Eltern zu Hause an, als Workshops mit mehreren Teilnehmern und neuerdings auch Online. Mehr Informationen zu mir gibt es unter www.hebamme-schieffer.de und auf Instagram: hebamme.stoffwindeln

Bildquelle: Mandy Schieffer